Pressetext zu I come in you - The Party Sequel (Berlin), Galerie Gillmeier Rech, Berlin 2017

I come in you - The Party Sequel (Berlin)


Lisa Holzer zeigt in ihrer ersten Einzelausstellung in Berlin1, I come in you - The Party Sequel (Berlin)2, The Party Sequel (Berlin). The Party Sequel (Berlin) folgt einer Serie von Bildern verschmierter pürierter Linsen, die Scheisse und Beton evozieren und in ihren Formen von Morris Louis 1950er Veils Serie inspiriert sind, nur verschoben ins Hochformat, und Bildern von klebrigem weissem Zuckerguss, in ähnlichen Formen. Kari Rittenbach hat sie als Malereien bezeichnet.

The Party Sequel (Berlin) sind Bilder von pürierten Kartoffeln und Erbsen und Bilder von verschieden farbigem Zuckerguss, in deren klebrigen, feuchten Oberflächen ich mich manchmal spiegle. Du. Ich bin in der Mitte deines Bildes.3 Eine irgendwie schräge (crooked) Narziss-Idee spielt hier auch mit rein. Die Bilder sind Pigmentprints auf Baumwollpapier, gerahmt in exklusiven, weiß lackierten Rahmen, in der Größe von Torsos plus Aura. Beide Kartoffelpüreebilder sind etwas zu blass.

Die Formen der pürierten verschmierten Kartoffeln, Erbsen und dem farbigen Zuckerguss sind freiere Interpretationen der Veils Formen und/oder von zwei Aquarellen meines kleinen Sohnes inspiriert.

Dieser Prozess, Geräusche und alles, des Pürierens, Verteilens und Schmierens und Fotografierens dieser vorsichtig zerkochten, klumpigen Kartoffeln und Erbsen, die statt Scheiße und Beton nur beschissen-süße Regression evozieren bzw. evozieren sollen, ist sehr befriedigend. So wie das Quirlen von Zuckerguss, egal ob farbig oder nicht.

Essen hat mit Körper und Begehren zu tun und Zerstörung und auch mit Malerei.

Was erzähle ich, die Bilder mir? Sind sie schwach genug? Vulgär? Und wie frustriert, nachtragend, aggressiv, wie passiv-aggressiv ist I come in you, wenn überhaupt? Würden diese Bilder scheitern als abstrakt expressive, oder Aufgehen in den Widersprüchen eines abstrakten Expressionismus bzw. seiner Nachwirkungen? Sind diese Bilder Malerei oder wieviel Malerei? Sind sie schön?

Was ist das für ein Echo? Was für eine Party!? Antwortet dieser zweite Teil dem ersten?

Anscheinend war Louis ein Einzelgänger, es heißt, er hatte wenige Freunde und hat selten mit jemandem über seine Kunst gesprochen, nicht einmal mit seiner Frau.

Und die anderen Körper? Transportieren die Bilder meine dunkle oder zumindest ziemlich ambivalente Sicht auf Parties? Ich habe Schwierigkeiten mit/auf Parties. Ich habe Schwierigkeiten mit einer bestimmten Art von Glück oder Leichtigkeit. Was ist das Gemeinsame? Was haben Parties mit Regression zu tun? Es kommt mir immer noch falsch vor, auf Parties zu arbeiten. Als Teenager habe ich viel auf Parties geweint.

Emily Sundblad hat gesagt: „Aber ich denke auch, dass die Leute zu viel trinken, um wirklich eine Revolution zu bewirken. Sie werden zu betrunken und können gar nichts tun.“4

Und wer wird eingeladen? Gemeinsam mit Trevor Lee Larson bin ich eingeladen, eine Performance im Special Program der diesjährigen Art Berlin zu machen, für VIPs, zumindest wurden die zuerst eingeladen. This is a VIP dream. Und ein anderer Rand dieser Ausstellung, von mir.

Morris Louis ist tot. Andere sterben auch. Fotografie wie Malerei haben eine Verbindung zu Tod. Sprache sowieso.

Édouard Louis schreibt: „Viele Jahre später, bei der Lektüre von Stefan Zweigs Marie Antoinette, musste ich an die Bewohner des Dorfes denken, aus dem ich stamme, und besonders an meine Mutter, wenn Zweig die von Hunger und Elend gepeinigten aufständischen Frauen schildert, die 1789 gen Versailles ziehen, und die, als sie des Königs ansichtig werden, spontan Es lebe der König! ausrufen - ihre Körper sprechen selbständig, an ihrer Statt, zerrissen zwischen restloser Unterwerfung und fortwährendem Aufstand.“5

Mich interessieren immer noch Oberflächen und die Frage, was ein Bild ist, ein Bild ausmacht. Seine Instabilität, Elastizität bzw. Durchlässigkeit und Stille. Seine Ränder und meine. Die Bilder weinen. Manchmal kommt Farbe durch, dringt durchs Glas, kommt aus dem Bild. Kotzen sie ein bisschen? Ich weiß nicht (genau), wieso sie kotzen oder weinen. Alles leckt und sickert durch. Weinen als Readymade und Kotzen auch. Und das nicht entspiegelte Glas der Rahmen spiegelt alles. Dich?

Meine Wimperntusche ist verschmiert oder ihre. Rinnt, literally.

Der Toilettenkörper der Galerietoilette schwitzt/weint in einer bleibenden Installation. Look what I did!

Intensitäten werden in mehr oder weniger großen Mengen ziemlich verschiedener Flüssigkeiten sichtbar. Was ist mit Tränen? Wie transformativ ist Weinen? Mich interessiert Weinen als körperlicher Ausdruck, Handlung, als Mittel des Übergangs, der Kommunikation, als ein Rand von mir, meines Gesichts, meiner Arbeit, als Leckwerden/Auslaufen/Verlust oder Readymade, Krücke,…

Wir werden weinen, vielleicht. Weil Weinen, als ein Rand meiner Arbeit, meines Gesichts/von mir oder als eine Art Tür, das ist, worüber ich gerade nachdenke. Ich will etwas berühren. Meine Bilder weinen, nachdem sie jetzt seit einiger Zeit geschwitzt haben. Wie wirken sie, ich auf die Welt?

Manchmal ist da kein Rand.

Ich fühl mich cheesy, launisch, bedürftig, beschämt als Künstlerin. Porös wie eine Tür. A hustler. Wie regressiv sind die Dinge? Wie porös bin ich? Wie involviert? Was unter Tränen gesagt wird, bedeutet etwas? Und was sag/seh ich nicht, vermeide ich, schon wieder, um nach vorne?, weiter? zu gehen als Künstlerin?? Was wiederholt sich? Ein Zögern? Ich habe viel auf Parties geweint.

Wut und Traurigkeit leben in suspendierter Beziehung. Und werden verwechselt.

I come in you.

The Party Sequel (Berlin) wird von I cry., einer noch gesprächigeren Version dieses Pressetexts in Form eines Posters begleitet.

Eine Edition weinender Sektgläser ist über die Galerie erhältlich.

̶ Lisa Holzer, Sommer 2017




1Ich lebe hier seit 9 Jahren.

2The Party Sequel (Paris) mit Bildern von pürierten, schwarzen Bohnen und Karotten, neben anderen Bildern von farbigem Zuckerguss, werden bei Galerie Emanuel Layr auf der Fiac 2017, diesen Oktober in Paris zu sehen sein.

3»I am in the middle of your picture« ist eine Zeile aus All I need von Radiohead, zuerst zitiert in Vier Pressetexte (2009), und dann nochmal in I am not there (2011). I am in the middle of your picture war der Titel meiner ersten Einzelausstellung bei Galerie Emanuel Layr in 2011.

4But I think also people drink too much to really cause a revolution. They get too drunk, and they cannot do anything. Emily Sundblad in WELCOME TO THE TATE CAFÉ ein Gespräch zwischen Merlin Carpenter, Emily Sundblad und John Kelsey. Paris, März 2012.

5Édouard Louis, Das Ende von Eddy, Roman, 2016, Fischer Taschenbuch. Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel En finir avec Eddy Bellegeule bei Editions du Seuil, Paris.