Eyes hold things differently

And

We never see the same things



Ränder (oder Anlässe)

Und sie fällt uns dauernd runter / This one's about love, ein Text, der im Laufe des letzten Jahres für die Ausstellung What a beautiful idea you were bei NOUSMOULES c/o L'Etoile Endettée in Berlin entstanden ist, ist einer der Ränder der Ausstellung. Ein anderer ein Bewerbungstext, den ich im April für ein Recherchestipendium zu den verwandte Bewegungen/Gesten beschreibenden Begriffen Wegnehmen und Verschwinden geschrieben habe, ist als Textbild zu sehen. In der Ausstellung gibt es einige Texte. Texte, vielleicht auch weil mein Onkel, Michael Turnheim, über Trauer geschrieben hat, dass Schrift ihr einzig würdiger Ausgang wäre.

Trauer ist ein Begriff am Rand und er wird formal oft mit Umrandungen visualisiert. Worauf hier mit einem schwarzen Marker verwiesen wird, der alle Rahmen der Bilder an ihrer Außenkante umschreibt.

In den letzten Jahren haben meine Bilder immer wieder geweint (Polyurethantropfen außen auf dem Glas der Rahmen). Vor meinem Printtermin für die Bilder dieser Ausstellung, habe ich das Photoshop-Malwerkzeug “Kunstprotokoll-Pinsel” zum ersten Mal verwendet. Wenn man damit über Teile der Bilder fährt, sehen sie nass aus. Fast so als würden sie, (diesmal) nach innen, weinen.
Oder ich habe beim Fotografieren geweint, mußte weinen beim Fotografieren.

Friedericke Mayröcker starb im Juni (weißt du?).

and when they or you left, a part of my sky went away *

No love is left in the eyes or on the floor

In Kapitel 1 von Und sie fällt uns dauernd runter / This one's about love heißt es: 'No love is left in the eyes or on the floor' und später 'Is there anything left on the floor? If I had to illustrate this text, I'd here put this cropped screenshot I found today somewhere in a note folder of Oldenburg's dirty brown and beige Floor Cake with a text saying Claes Oldenburg, Floor Cake, 1962 (MoMA) May 22nd, 2006 / A podcast about this fun sculpture of a giant piece of cake.'

In Once upon a time in Hollywood spielen sie das Lied Cake in the rain, d.h. McArthur Park, im Fernsehen in der Szene, in der Brad Pitt/Cliff Booth emphatisch von seinem Pit Bull begrüßt wird, der ihn auf den Boden seines Wohnwagens wirft. Cake in the rain wäre die kryptischere Wahl eines Titels gewesen, an den ich für die Ausstellung What a beautiful idea you were gedacht habe, die im August in Berlin eröffnet hat.

Objet petit a ≈ Regentropfen

We ate the sun ≠ I can see clearly now the rain is gone

Es gibt eine visuelle Ähnlichkeit zwischen Emoji Regentropfen und wie ich vor Jahren Lacans Objet petit a (die Objektursache des Begehrens) visualisiert habe. Oder ich verschiebe das Objet petit a in den Regen. Alles/Die Liebe ist verhangen. Oder was hat der Regen mit Begehren zu tun und was das Sehen? Bzw. nichts zu sehen oder nicht gut zu sehen. Die Farben sind verschoben, sie stimmen nicht (oder stimmen vielleicht, weil sie nicht stimmen). Die Pixel scheinen schmutzig. Wie passiv ist ein/das Objet petit a? Jemand hat diese Regentropfen gezeichnet (und diese tröstlichen Wolken und diesen schützenden Regenschirm). Es gibt kein Emoji für Seele auf meinem Handy. Es hat ziemlich viel geregnet im/diesen Mai. Auch Emojis fungieren als Text.

a-Löcher (Punzen kleiner a Buchstaben) ≈ Objet petit a

Or how I had pictured Lacan's objet petit a (the object cause of desire) years ago, 2011/2021ist ein sonnengebleichtes Bildschirmfoto. Und ein Pedant zu Rain (beige/brown), 2021, Rain (black/red), 2021 und Rain / Umbrella (pink/green),2021.

Ich bekomme einen Text. Oh Lisa. Er ist von jemandem, den ich vor 14 Jahren getroffen habe. Zeit ist eigenartig.

Schmetterlinge

Drei hochformatige “Landschafts”-Bilder erinnern an Schmetterlingsflügel. Ein Paar und ein einzelner. Sie fliegen, d.h. sie sind so an die Wand montiert, dass es von vorne so aussieht, als würden sie fliegen. Sie sind mit einem Gummiband an zwei 19cm von der Wand wegverlaufenden L-Profilen befestigt. Luftballons funktionieren als Abstandshalter. Sie halten die sonst mit den unteren Bildkanten zurück an die Wand tendierenden Bilder von der Wand weg. Eines der “Landschafts”-Bilder kommt mit folgendem Text:

Die Landschaften sind große, heterogene, hochformatige Fotografien, die im Photoshop zu detaillierten, abstrakten, malerischen Bildern gebrochen werden oder zu trägen, fast monochromen Bildern auslaufen und alle formal hinunter weisen. Ihre ursprünglichen Motive sind dann nicht mehr von Bedeutung. Zum Teil sind sie von Malereien Jean Fautriers aus den 1940/50er Jahren inspiriert. Ich erwähn seinen Namen gern. Man könnte sie als Türen lesen. Und manche als Schmetterlinge. The pain in the chest is a landscape, but it might be a butterfly.

14a

https://en.wikipedia.org/wiki/Butterfly#In_mythology_and_folklore

In mythology and folklore

According to Lafcadio Hearn, a butterfly was seen in Japan as the personification of a person's soul; whether they be living, dying, or already dead. One Japanese superstition says that if a butterfly enters your guest room and perches behind the bamboo screen, the person whom you most love is coming to see you. Large numbers of butterflies are viewed as bad omens. When Taira no Masakado was secretly preparing for his famous revolt, there appeared in Kyoto so vast a swarm of butterflies that the people were frightened—thinking the apparition to be a portent of coming evil.[104]

Diderot's Encyclopédie cites butterflies as a symbol for the soul. A Roman sculpture depicts a butterfly exiting the mouth of a dead man, representing the Roman belief that the soul leaves through the mouth.[105] In line with this, the ancient Greek word for "butterfly" is ψυχή (psȳchē), which primarily means "soul" or "mind".[106] According to Mircea Eliade, some of the Nagas of Manipur claim ancestry from a butterfly.[107] In some cultures, butterflies symbolise rebirth.[108] The butterfly is a symbol of being transgender, because of the transformation from caterpillar to winged adult.[109] In the English county of Devon, people once hurried to kill the first butterfly of the year, to avoid a year of bad luck.[110] In the Philippines, a lingering black butterfly or moth in the house is taken to mean a death in the family.[111] Several American states have chosen an official state butterfly.[112]

14b

II. Japanische Sprichwörter/ Redewendungen

Manchmal dauert es einfach, bis sich eine gute Gelegenheit für ein bestimmtes Vorhaben ergibt. Da hilft dann auch kein Drängeln, sondern nur „Abwarten (und Tee trinken).“ Im Japanischen könnte man in diesem Fall z.B. sagen: „縁と浮世は末を待て“ (En to ukiyo wa sue o mate). Übersetzen kann man dies u.a. mit: „Warte bis zum Ende auf die (erhoffte)Beziehung und die (bessere) Welt.“

Aus der Mailaussendung der Japanischen Botschaft in Berlin am 17. September 2019.

14c

I think of the way Denis Lavant flies dancing in the very last minutes of Claire Denis' Beau Travail (and certain nudes, I didn't get a chance to take). And how this scene visualises a relation/way to relate to the world and how it always makes me feel less alone. Or I understand every move, am moved by every move (or Denis Lavant).

Poetische Fähigkeiten

Kazuyo Sejima, 2021 ist das vierte Bild der Ausstellung, das (wie die Schmetterlingsflügelbilder) fliegt. Ich mag die zarten Ränder, die ein Scanner auch dort produziert, wo nichts aufliegt.

Während der Arbeit an Und sie fällt uns dauernd runter / This one's about love erinnere ich mich an einen Text über die Architektin Kazuyo Sejima, den ich vor Jahren gelesen habe. Ihre Arbeit/Gebäude schienen mir so etwas wie gebaute Zartheit zu sein oder vielleicht gebaute Sensibilität. Oder Übersetzungen von etwas so Zartem und Abstrakten wie Beziehungen in Architektur. Und nicht nur deshalb, weil sie immer die Umgebung miteinbezieht und das Licht. Und sie schienen darüber zu sprechen, dass Zartheit in Architektur, wenn auch schwierig zu denken, letztlich gebaut etwas sehr Einfaches, Natürliches/Gelegentliches (in poetischem Sinne Hergestelltes) haben kann und deren Wichtigkeit/Bedeutung weiterzugeben. Sie wird lesbar. Sejima baut so etwas wie eine fürsorgliche (oder wie sie einmal sagt healing) Architektur. Oder eine Architektur, die einen (nicht nur zufällig) hält. Sie denkt auch viel darüber nach wie sich Menschen in und aus und durch ihre Gebäude bewegen, was ein Grund dafür sein könnte, warum ihre Gebäude Bewegungsmöglichkeiten eröffnen und bewegend sind.

Die eigene Zartheit ist das erste, das (verloren) geht bei emotionalem oder mentalem Stress und man ist nicht ganz man selbst. Und dann verliert man seine poetischen Fähigkeiten. Oder die Subjektfinsternis besteht darin, dass das Subjekt verschwindet. Es ist erstaunlich und beruhigend, wieviel Zutrauen man bekommt, wenn man (wieder) über seine poetischen Fähigkeiten verfügt. Man kann etwas herstellen.

Lisa Holzer

*Tan Lin, Heath (Plagiarism/ Outsource), Notes towards the Definition of Culture, Untitled Heath Ledger Project, A History of the Search Engine, Disco OS (Bootleg Version), Vienna, Westphalie, 2011

Pressetext für Eyes hold things differently, Layr Coburgbastei, 2021