Esst mich.

Ich werde tanzen und schwitzen. Und wir sind jung und heiß und wissen das. Und wir schwitzen.

Ich muss mich bewegen. Das mache ich normalerweise auf Kunstevents oder -parties. Aus reiner

Hilflosigkeit. Sie machen mich nervös. Und ich bin nicht so flexibel, wie man vielleicht vermuten

könnte, in Anbetracht dessen, dass ich wie ihr in diesem aalglatten, aber erstaunlich klebrigen,

neoliberalen Sumpf schwimme. Also tanze ich. Es kommt mir immer noch falsch vor, auf Parties zu

arbeiten. Und ich entschuldige mich. Ich bin eine ziemlich langweilige Performancekünstlerin.

I am mainly fucking with redundancy. Eigentlich bin ich keine Performancekünstlerin. Ich mache

Bilder. Zumeist Fotos. Ich bin ziemlich ungeduldig. Und ich schreibe Texte, die oft nur Notizen an

mich selbst sind. Ich versuche immer noch zu verstehen, wie meine Arbeit funktioniert. Ich

schreibe, aber bin nicht sehr gut im Reden, vor allem nicht bei Ausstellungseröffnungen oder

Parties. Was, wie wir wissen, heute und heute Abend ein großer Nachteil ist. Ich fühle mich meist

komisch und produziere Missverständnisse oder rede zu laut über mein Privatleben oder was ich

nicht mag. Ich werde sogar geschmacklos oder kitschig. Und das interessiert niemanden. Also tanze

ich. Das ist kein Fehler aber ein Zugang, vielleicht, ich bin mir nicht sicher. Ich tanze. Weniger um

zu feiern, eher um zu sein und mich ein bißchen mehr zu spüren. Um nachzudenken. Ich bin nervös.

Aber das ist vielleicht gut. Haben wir gefrühstückt? Meine Performances sind eher redundant.

Normalerweise mache ich Performances nur während meiner Ausstellungseröffnungen. Aber ich

bin mir nicht sicher, ob Performance überhaupt die richtige Bezeichnung für mein redundantes

Herumgetue ist. Manchmal bereite ich Essen zu, das bereits auf den gezeigten Bildern zu sehen ist.

Oder Essen, das dem ähnelt oder das übersetzt, was auf den Bildern zu sehen ist. Hummerchips

sehen zum Beispiel Honigschweineohren erstaunlich ähnlich. Und ich bin froh, wenn ich es schaffe,

dabei ein paar vorbereitete Zeilen wiederholt vor mich hin zu murmeln. Auch wenn sie niemand

versteht. Heute tanze ich. Was auch irgendwie redundant ist. Esst mich. Das Kochen von Dingen,

die schon auf den gezeigten Bildern zu sehen sind, produziert eine Art Zeitschleife und spielt mit

einer buchstäblichen Instabilität oder, wenn man will, zeitgemäßen Elastizität, Bilddurchlässigkeit.

Aber das ändert natürlich nichts an ihrer Redundanz. Und Essen vielleicht auch, weil ich gerne

weicher, sanfter werden würde. Nicht so aufbrausend, mehr zen, produktiver aggressiv und

verletzlicher. Um den Körper auf den Tisch zu legen. Appetit hat immer mit Zerstörung zu tun.

Sowie Essen Begehren macht. Ist es heiß? Schwitzt du? Ich brauche eine zweite Galerie. Meine

Bilder schwitzen die ganze Zeit. Zarte Schweisstropfen, die wieder nicht zu entfernen sind. Smooth-

On Crystal Clear 202 Water Clear Urethane Casting Resin made specifically for applications that

require clarity. Oder sie weinen. Und du? Manchmal kotzen sie auch. Alles leckt und sickert durch.

Okokokok, fuck. Esst mich. Ich bin fasziniert von den Formen von Morris Louis Veils. Momentan

arbeite ich an Bildern von pürierten Linsen, inspiriert von seiner 1950er Serie. Etwas zwischen

Scheiße und Beton in der Form von Morris Louis Veils. (Anscheinend war Louis ein Einzelgänger,

es heißt, er hatte wenige Freunde und hat selten mit jemandem über seine Kunst gesprochen, nicht

einmal mit seiner Frau.) Dieser Prozeß, Geräusche und alles, des Kochens und Pürierens, Verteilens

und Schmierens und Fotografierens dieser vorsichtig zerkochten, klumpigen Linsen, die Scheiße

und Beton evozieren, ist sehr befriedigend. Und ich bin dabei das Gleiche mit klebrig süssem,

weissem Zuckerguss zu versuchen. Jetzt tanze ich. Wie lächerlich. Um da, hier zu sein und mich zu

entziehen in einer einzigen Bewegung. Ich werde nicht untergehen. Nicht in diesem Sumpf. Ich

wollte nie einen Assistenten. Ich lache sehr gern über meine eigenen Witze. Wie regressiv ist Beton

und Scheisse? Wie regressiv soll Beton und Scheisse sein? Was macht ein Bild aus? Morris Louis

Veils sind auch wegen ihrer Farben toll: Statt dessen verströmt die Oberfläche herrliche Grüns,

Blaus und Violets, deren Coolness noch durch kontrastierende Zungen in gelb und orange, die aus

der Oberkante hervorquellen, gesteigert wird. Hervorquellende Zungen in gelb und orange,

bluttriefend und herausgeschnitten. Ich nehme gerade die Farben eher raus. Einige mögen es, mir

beim Tanzen zuzusehen. Nächstes Mal bin ich 1981 geboren. 2015 war schwierig. Obwohl ich

mich verliebt habe. Noch nie hat mich ein Jahr so ermüdet. Dezember war hart. Und es war zu

warm, zumindest in Berlin. Alle Nachrichten des ganzen Jahres scheinen sich zusammengeballt zu

haben und in ein totes und verzweifeltes und ziemlich schweres Gewicht auf meinen kleinen

Schultern geklumpt zu sein. Ein Gewicht, das nicht wegzutanzen war, ich habs versucht. (Du hast

mich tanzen sehen.) Oder vielleicht werde ich nur alt. Und alles ist verwickelt und klumpt und ist

daher unbarmherzig hoffnungslos, hoffnungslos eher als romantisch. Fuck Young-Girls. Oder

schwach? Jetzt fühle ich mich betäubt. Nicht berührt von Nachrichten oder Derartigem. Und ich

kann nicht aus dem Stehgreif weinen. Macht das einen Unterschied? Alle scheinen sich dicht zu

machen die ganze Zeit. Bin ich faul? Ich weiß nicht, was falscher ist. Verstehe ich? Habe ich

zugehört? Bin ich da? Was ist das Gemeinsame? Wir wollen einen Ponyplan. Pürierte Linsen,

Beton und Scheisse oder süsse und klebrige Zuckerguss-Schleier. Ich schwitze. Ich bin blass.

Jemand spielt mit meinen Haaren. Ich habe weniger Zeit. Ich will nicht, dass sich die Probleme wie

verfickte Pfannkuchen aufeinander türmen. Am Ende werdet ihr mich essen. Nein. Esst mich.

Lisa Holzer, Juni 2016